1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Dienstag, 8. Mai 1945

Kapitulation: "Nach Hause"?

An den Moment des Eintreffens der deutschen und sowjetischen Delegationen zur Entgegennahme der Kapitulationserklärung erinnert sich der sowjetische Kriegskorrespondent Lew J. Slawin:

„Eine unerwartete Begegnung. Ein langer Zug Ausländer, die aus hitlerschen KZ befreit worden sind. Über Karren, Fahrrädern, Kinderwagen, in denen die Befreiten ihre Habe mitführen, wehen Fahnen aller Nationen: jugoslawische, italienische, französische, holländische und andere. An einem Pfosten ein wegweisender Pfeil und in allen Sprachen die Aufschrift: ‚Zur Sammelstelle sowjetischer und ausländischer Staatsangehöriger‘. Die deutschen Delegierten schauen weg… Vergeblich blicken sie zu Boden oder schnäuzen sich eifrig, um sich durch das Taschentuch den Blicken des Volkes zu entziehen… Ich kann nicht sagen, dass die Berliner dabei betrübte Gesichter machen. Vielmehr äußern sie eine gewisse Genugtuung über das sensationelle Schauspiel.“

Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 sehen sich die Alliierten mit gewaltigen Zahlen sogenannter Displaced Persons konfrontiert – Menschen anderer Staatsangehörigkeit, die in die Heimat zurückkehren wollen oder durch den Krieg heimatlos geworden sind. Alleine in Berlin befinden sich am Kriegsende etwa 370.000 Zwangsarbeiter*innen aus ganz Europa.
Schon als die Kriegshandlungen in der Stadt noch in vollem Gange waren, mischten sich zahlreiche befreite Zwangsarbeiter*innen unter die Flüchtlingstrecks, um in Richtung Heimat oder zum nächsten Frontabschnitt zu ziehen.

Nun, mit dem endgültigen Kriegsende am 8. Mai 1945, setzen sich unzählige Menschen in Bewegung, um zurück in ihre Herkunftsländer zu gelangen. Vor allem DPs aus Westeuropa versuchen, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Andere warten in den Ruinen der Stadt oder in improvisierten Lagern auf einen Weitertransport Richtung Heimat mit Unterstützung der Alliierten. Die meisten der Displaced Persons (DP) gelangen noch Laufe des Sommers in ihre Heimatländer. Im August 1945 leben in Berlin noch etwa 23.000 ausländische Staatsbürger.

In verschiedenen Ländern stehen die Zwangsarbeiter*innen im Verdacht, mit den Deutschen kollaboriert zu haben. Die befreiten „Ostarbeiter*innen“ und sowjetische Kriegsgefangene müssen Filtrationslager des sowjetischen Nachrichtendienstes durchlaufen. Für nicht wenige endet der Krieg mit der Verschleppung in sowjetische Straflager.
Nicht selten sperren sich auch ehemalige Zwangsarbeiter*innen aus Polen gegen eine Rückkehr, da sie das neue kommunistische Regime ablehnen oder ihr Heimatort im von der Sowjetunion annektierten Ostpolen liegt.

(Quellen: Lew J. Slawin, „Die letzten Tage des Dritten Reiches, Berlin: Lied der Zeit Musikverl. 1948, S. 46 ff.; Helmut Bräutigam, „Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945“, Publikation des Arbeitskreises Berliner Regionalmuseen, Berlin: Metropol, 2003)