Mittwoch, 2. Mai 1945
Während die Kampfhandlungen in Berlin noch anhalten, beginnt der deutsche General Helmuth Weidling in den frühen Morgenstunden mit der Abfassung des Kapitulationsbefehls. Ab dem Mittag des 2. Mai fahren Lautsprecherwagen mit je einem sowjetischen Offizier und einem deutschen Militärangehörigen durch die Stadt, um den Kapitulationsbefehl zu verkünden. In den Kellern des Reichstags wird noch bis 13 Uhr gekämpft. Ab etwa 17 Uhr sind alle Kämpfe in der Stadt eingestellt.
Für circa 370.000 Zwangsarbeiter*innen im gesamten Berliner Stadtgebiet - zivile Verschleppte, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge - endet die Ausbeutung durch das nationalsozialistische Regime. Nicht wenige von ihnen befinden sich in diesem Moment noch an ihren Arbeitsplätzen. Einige waren bereits in den Tagen zuvor aus den Lagern geflohen oder hielten sich in der Stadt versteckt. Andere warteten in den Lagern ab, ihre Arbeitsstelle war seit Tagen nicht mehr erreichbar.
Der Zustand, in dem die sowjetischen Einheiten die Zwangsarbeiter*innen vorfinden ist recht unterschiedlich. Jene die in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungssektor eingesetzt wurden, sind meist ein wenig besser dran als ihre Leidensgenossen in der Rüstungsindustrie. In einer besonders schlechten Verfassung sind die befreiten KZ-Häftlinge.
Die die enorm große Zahl von befreiten Zwangsarbeiter*innen stellt die Alliierten vor riesige Herausforderungen. Viele machen sich in den nächsten Tagen und Wochen zu Fuß oder mithilfe von unterschiedlichen Fuhrwerken auf den Heimweg. Andere gelangen in die Displaced Persons Camps, die die alliierten Militärverwaltungen im ganzen Stadtgebiet einrichten. Von hier aus werden Rücktransporte organisiert. Wieder andere bleiben in der Stadt, sie wissen nicht wohin.
Denn während die einen diesen Tag als Befreiung erleben, scheuen andere die Rückkehr in die Heimat. Sie fürchten, als Verräter gebrandmarkt oder der Kollaboration verdächtigt zu werden, da sie für „den Feind“ gearbeitet haben. Zu Hause angekommen, werden die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter*innen jahrzehntelang nicht über ihr Schicksal sprechen.