1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Samstag, 28. April 1945

"Am 28. April ging in Klausdorf die Front durch": Maria Kawecka

„Die Deutschen hatten einen Luftschutzraum, den wir nicht benutzen durften. Ich weiß noch, als am 28. April die Front neben uns war und der Beschuss von beiden Seiten andauerte, versteckte ich mich mit noch zwei Kolleginnen aus Angst in diesem Luftschutzraum; aber nach ein paar Minuten wurden wir entdeckt, und man warf uns hinaus. Unter diesem Beschuss mussten wir irgendeine Zuflucht finden. Wir entdeckten ein Loch, in die Erde gegraben, in dem wir die ganze Nacht verbrachten. Und morgens waren die russischen Truppen schon da.“

Maria Kawecka wurde 1918 im polnischen Lewiny, 40 km von Łódź entfernt, geboren. Infolge der Besatzung Polens 1939 wurde die Familie von ihrem Hof in Piotrów vetrieben. Im April 1942 verschleppten die Deutschen die 24-jährige Maria, ihre zwei Brüder und ihre Eltern. Kawecka musste drei Monate als Kindermädchen bei einem Gärtner in Güstrow aushelfen. Sie konnte nach Łódź zurückkehren, wurde jedoch am 17.  November 1942 erneut bei einer Razzia in einer Straßenbahn festgenommen.

Kawecka wurde nach Berlin-Reinickendorf (Walderseestr. 21) verschleppt. Sie musste unter anderem bei der AEG und für die Firma Dr. Klaus Gettwart (Köpenicker Straße 50) in der Produktion von Flugzeug-­ und U­-Bootteilen arbeiten. Um den anhaltenden Luftangriffen in Berlin zu entkommen, versuchte sie im Sommer 1944, zu ihren Cousins aufs Land zu flüchten. In der S­-Bahn wurde sie von Polizisten kontrolliert. Ihre Dokumente verrieten, dass sie sich unerlaubt von ihrem Arbeitsplatz entfernt hatte und verbotenerweise mit der S-­Bahn fuhr.

Die Gestapo wies sie in das Gestapo-„Arbeitserziehungslager“ (AEL) Fehrbellin ein. Kawecka musste dort drei Monate lang schwerste körperliche Arbeit in einer Bastfaserfabrik verrichten. Hunger und Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Als sie nach 3 Monaten zurück an ihren Arbeitsplatz in Berlin geschickt wurde wog sie nur noch 28 kg. Keine der anderen Zwangsarbeiterinnen erkannte sie wieder.

Bei einem Luftangriff im November 1944 wurde die Fabrik von Dr. Klaus Gettwart stark beschädigt und die Produktion daraufhin nach Klausdorf verlegt. Hier nutzte Kawecka ihre Funktion als Materialprüferin, um die Rüstungsproduktion zu sabotieren. Bis zur Befreiung im April 1945 arbeitete Maria Kawecka in Klausdorf.

(Quelle: Interview Ewa Czerwiakowski mit Maria Andrzejewska, geb. Kawecka, Łódź, den 22. August 2004. Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Sammlung Berliner Geschichtswerkstatt)