1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Mittwoch, 11. April 1945

Kazimiera Kosonowska, geb. Czarnecka

„Im April beginnen die teppichartigen Bombardierungen. In nicht allzu großer Höhe fliegen ganze Staffeln von Flugzeugen und bombardieren systematisch die Stadt. Während eines Luftangriffs werden weitere Fabrikgebäude zerstört. Holländer versuchen, den Brand zu löschen und den Rest der Gebäude zu schützen.“

„Eines sonnigen Apriltagesfahren wir mit einer großen Gruppe und dem Bewacher direkt von der Fabrik in die Stadt. Mit Erstaunen stellen wir fest, daß wir auf einen großen und schönen Charlottenburger Friedhof gelangen. Auf den sorgfältig gepflegten Wegen stehen Dutzende von Särgen, die auf das Begräbnis warten; es sind die Opfer der letzten Angriffe. Das Friedhofspersonal zeigt uns die Plätze, und wir werden gezwungen, die Gräber auszuheben.“

„Es bricht Chaos und Panik unter den Deutschen aus. Seit ein paar Tagen fuhren in Eile, Tag und Nacht, unzählige Kolonnen von Militärwagen und anderen schweren Fahrzeugen vorbei. Man hört das stete Brummen der Motoren. Auf den Straßen sieht man ältere Männer und ganz kleine Jungen, die zur Verteidigung der Stadt bereit sind. Nach dem panikartigen Rückzug der deutschen Truppen wird es plötzlich still. Es herrscht eine merkwürdige Ruhe wie vor dem Sturm, die den ganzen Tag währt.“

(Brief der ehemaligen Zwangsarbeiterin Kazimiera Kosonowska an die Berliner Geschichtswerkstatt.)


Kazimiera Czarnecka hilft nach Abschluss der Volksschule ihrem Vater in der Schmiede. Ein längerer Schulbesuch ist nicht möglich, denn die deutschen Besatzer haben alle weiterführenden Schulen geschlossen. Am 14. November 1942 muss sie sich unter Androhung einer Strafe für die gesamte Familie beim deutschen Arbeitsamt melden. Mit 18 Jahren wird sie von dort direkt ins Deutsche Reich verschleppt. Im Durchgangslager in Berlin-Wilhelmshagen sucht sich ein Vertreter der Firma »Gummiwerk Fr. M. Daubitz« Kazimiera Czarnecka als Zwangsarbeiterin aus. Sie kommt in ein Sammellager in Berlin-Adlershof, das zuvor von Kriegsgefangenen belegt war. Von dort aus muss Kazimiera Kosonowska jeden Tag 1,5 Kilometer in die Gummifabrik der Firma Daubitz laufen, wo sie unter schwersten Bedingungen in der Produktion von Gummihandschuhen für die Wehrmacht arbeitet.
Ende des Jahres zieht die Belegschaft der Firma in ein Lager in der Köpenicker Straße in Rudow. Kosonowska arbeitet täglich 10 Stunden, im Lager gibt es keine medizinische Versorgung. So wie alle polnischen Zwangsarbeiter*innen, muss sie das „P“-Abzeichen ständig sichtbar auf ihrer Kleidung tragen. Von ihrem vermeintlichen Lohn bleibt nach allen Abzügen kaum etwas übrig. Im Mai 1943 schließt Kosonowska Freudnschaft mit jungen Polen aus einem Lager in Grünau. Diese Freundschaft fördert ihren Selbsterhaltungswillen.

Während der immer stärker werdenden Luftangriffe versucht sich Kosonowska mit anderen Zwangsarbeiterinnen in mit Holzplatten abgedeckten Gräben hinter der Baracke zu schützen. In einem Brief an die Berliner Geschichtswerkstatt beschreibt sie eindrücklich die letzten Monate und Wochen vor der Befreiung.