1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Olga Ryabtchenko über die Auswirkungen der Zwangsarbeit auf das spätere Leben ihres Vaters Leonid Iwanowitsch

Leonid Iwanowitsch Ryabtchenko

Leonid Ryabchenko wird am 2. September 1925 in der Sowjetunion geboren. Leonids Mutter ist Deutsche, weswegen er mit der deutschen Sprache aufwächst. Aufgrund der Herkunft seiner Mutter gelten Leonids Eltern in dem Herkunftsdorf Snytin als verdächtig und „unsowjetisch“. Die Familie leidet unter Repressionen. 1941 wird Leonids Vater von den sowjetischen Machthabern wegen „konterrevolutionärer Agitation“ verhaftet. Er stirbt ein Jahr später im Gefängnis.

Um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen, flieht Leonid nach Deutschland. Im Mai 1943 erreicht er Berlin. Obwohl er freiwillig nach Deutschland gegangen ist, gerät Leonid bald in die Mühlen der Zwangsarbeit. Er wird in einem Zwangsarbeiterlager untergebracht und zur Zwangsarbeit bei der „Deutsche Industrie Werke AG“ (DIWAG) in Berlin-Spandau verpflichtet. Dort muss er zehn Stunden täglich in der Gießerei arbeiten. Bei der Arbeit in einer Gießhalle zieht sich Leonid eine schwere Verbrennung zu. Doch aufgrund der deutschen Herkunft seiner Mutter befindet sich Leonid Ryabchenko in einer Sondersituation: Obwohl er aus der Ukraine stammt, gilt er nicht als Ostarbeiter. Er kann sich relativ frei bewegen und seine Erfahrungen unterscheiden sich von denen der meisten osteuropäischen Zwangsarbeiter.

Als die Fabrik und das Lager bei einem Luftangriff zerstört werden, gelangt Leonid für weitere Arbeitseinsätze zunächst nach Winterspelt nahe der belgischen Grenze, später nach Wien, wo er am 17. Januar 1945 die Befreiung erlebt. Als sowjetischer Staatsbürger wir er zur Ableistung der Wehrpflicht unmittelbar in die Rote Armee eingezogen. 1948 wird Leonid Rjabtschenko wegen „antisowjetischen Beziehungen und feindlichen Tätigkeiten“ verhaftet und bis 1958 in verschiedenen Straflagern und Gefängnissen interniert. Dort muss er ebenfalls Zwangsarbeit leisten.

Trotz seiner vollständigen Rehabilitation 1963 gelingt es Leonid nicht, gesellschaftlich wieder vollständig Fuß zu fassen. Seine Erfahrungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg verarbeitet er in zahlreichen autobiographischen Büchern. Seit den 1990ern ist er Mitglied der Ukrainischen Vereinigung politischer Gefangener und Repressierter und seit 2005 Träger des ukrainischen Verdienstordens 3. Grades. Leonid Ryabchenko verstirb 2015.