1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Freitag, 20. April 1945

Wanda Tworkiewicz - Lager Johannisthal

„Zu Hitlers Geburtstag am 20. April kamen Flugzeuge der Alliierten und warfen Flugblätter über unseren Arbeitsstellen ab. Es kursierte damals ein Scherz unter uns: Zu Hitlers Geburtstag werfen sie keine Bomben, sondern nur Flugblätter ab. Was darauf stand, habe ich nicht gesehen. Ich habe nur gesehen, wie sie herunterfielen… Ein Kollege namens Schulz hatte auf der Arbeit in den Tagen zuvor zu erkennen gegeben, dass er auch Polnisch versteht. Er kam aus Schlesien. Der hatte mich in diesem Wald gesehen, und am nächsten Tag auf der Arbeit sagte er zu mir auf Polnisch, in einer schlesischen Mundart: ‚Wanda, hast du diese Flugblätter gesehen? Ich habe eins.‘ – ‚Was steht da drin?‘ – ‚Wir sollten Schluss machen. Aber wie sollen wir Schluss machen, wenn sie uns bombardieren?‘."

Wanda Tworkiewicz wird im Oktober 1943 aus der polnischen Stadt Łódź nach Berlin verschleppt. Nachdem sie zunächst in ein Sammellager in Brandenburg gebracht wird, wird sie schließlich in ein Barackenlager nach Berlin-Johannisthal geschickt. Hier muss sie im Werk des Flugzeugbauers Henschel arbeiten. Bei schweren Luftangriffen in der Nacht zum zweiten Weihnachtstag 1943 verlässt sie panikartig, nur mit einer Decke bedeckt das brennende Barackenlager. Während die Fabrik fast unversehrt bleibt, brennt das Lager fast vollständig nieder. Tworkiewicz wird daraufhin nach Schönefeld verlegt und muss nun täglich zu Fuß zur Arbeit nach Johannisthal laufen. Sie wird am 23.04.1945 in Schönefeld befreit.

(Brief der ehemaligen Zwangsarbeiterin Wanda Tworkiewicz an die Berliner Geschichtswerkstatt. Quelle: Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Sammlung Berliner Geschichtswerkstatt)