1945 NS-Zwangslager in Berlin

Zu ende, aber nicht vorbei

Mittwoch, 18. April 1945

Pietro Cavedaghi - "Siemens Wernerwerke"

„Es ist Mitte April. Das Leben ist furchtbar hart geworden. Die Bombardierungen werden immer härter. Nachts wird sogar bis zu 6 Stunden gebombt, nicht einmal eine Stunde kann man durchschlafen. Die russischen Kanonen hört man nicht weit weg und die angloamerikanischen Flieger helfen ihnen mit ihrem tödlichen Feuer. So hoffen wir, dass es wirklich nur noch um ein paar Tage geht. Man kann das Lager nicht einmal mehr zur Arbeit verlassen. In der Stadt ist alles unterbrochen, auf den Zügen fahren nur noch deutsche Soldaten, die sich von allen Fronten zurückziehen.“

„Die Russen sind in der Nähe von Berlin. Man sieht Hunderte und Aberhunderte russischer Maschinen, die auf die deutsche Artillerie einhämmern. Ein Geschwader nach dem anderen. Sie hämmern pausenlos auf die in Berlin zusammengezogenen deutschen Truppen ein und wir sind hier in der Stadt und kriegen die Tabletten [vermutl. Bomben], die von den deutschen Herren übrig sind, auf den Kopf. Die Russen versuchen, alle Züge, die mit Munition in der Stadt ankommen, in die Luft zu jagen. Kurzum, es wird klar, dass wir in der Falle sitzen. Die Russen umzingeln die Stadt. Nur Mut, jetzt geht es wirklich darum, die eigenen Haut zu retten.“


Pietro Cavedaghi ist 19 Jahre alt, als er am 12. September 1943 von der Wehrmacht in Pinerolo gefangen genommen und in das Deutsche Reich verschleppt wird. Zunächst komme er so wie Tausende andere italienische Gefangene in das Durchgangslager Luckenwalde, dann nach Berlin. Er erhält die Nummer 115.265.III.A. und wird für die Arbeit bei den Siemens-Schuckertwerken in Spandau eingeteilt, wo er unter der Aufsicht bewaffneter Wachen arbeiten muss. Von seinem Lager in Weißensee aus, muss Cavedaghi jeden Tag eine Stunde mit der S-Bahn zur Arbeit fahren. Im September 1944 wird er in ein Lager nach Schöneweide verlegt, von wo aus er den weiten Weg zur Arbeit laufen muss. Kurz vor Kriegsende muss er als Maurer am Schlesischen Tor ein zerstörtes Postgebäude wieder aufbauen. Cavedaghis Bericht vom Kriegsende ist erstaunlich detailliert und führt auf eindrückliche Art und Weise die Situation vieler Zwangsarbeiter*innen in Berlin im Frühjahr 1945 vor Augen.

Aus dem Tagebuch von Pietro Cavedaghi: „Der Schmerz und die Erinnerung. Tagebuch der Gefangenschaft in Deutschland (1943-1945), ital. Original: Il dolore a la sua memoria. Diario di prigionia in Germania (1943-1945,) Grafo 2005.“