Dienstag, 3. April 1945
„Normalität“ bis zum Ende?
Auch im Winter und Frühjahr 1945 waren zahlreiche Zwangsarbeiter*innen trotz anhaltender Luftangriffe und der immer näher rückenden Front im gesamten Berliner Stadtgebiet unterwegs. Davon zeugen diverse Zeitzeugenberichte und Dokumente. So etwa auch ein Ausweis zur Benutzung der Berliner S-Bahn von Januar 1945 und eine Monatskarte für den April 1945, ausgestellt am S-Bahnhof Adlershof. Sie gehörten dem italienischen Zwangsarbeiter Ettore Gorla, der bei der AEG und im Straßenbau arbeiten musste. Gemeinsam mit 400 anderen Italienern war er im GBI-Lager 75/76 interniert (heute Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit). Auf einem Liniennetz der Berliner S-Bahn und U-Bahn hatte Gorla mit einem Bleistift den Standort seines Lagers in der Stadt markiert.
Im März und April 1945 fuhren öffentliche Verkehrsmittel kaum noch zuverlässig. Durch die zahlreichen Bombentreffer war die Berliner Infrastruktur so sehr eingeschränkt, dass viele Zwangsarbeiter*innen kilometerweit zu ihren Arbeitsplätzen laufen mussten.
Den Luftangriffen und Detonationen der letzten Kriegsmonate waren sie fast schutzlos ausgeliefert. Öffentliche und betriebseigene Luftschutzbunker waren der Berliner Bevölkerung oder den deutschen Mitarbeiter*innen vorbehalten. Die meisten Lager verfügten über keine eigenen Luftschutzkeller.
Obwohl die Zerstörung durch alliierte Bombenangriffe der Stadt stark zusetzte, waren viele Zwangsarbeiter*innen bis zuletzt gezwungen an ihren Arbeitsplätzen zu erscheinen. Nicht wenige erlebten so die Befreiung an ihrem Einsatzort.