Sonntag, 15. April 1945
"Papierkrieg" über Berlin
Den gesamten Krieg über war der Abwurf von Flugblättern über „feindlichem Gebiet“ wichtiger Bestandteil der psychologischen Kriegsführung. In den letzten Kriegswochen werfen die alliierten Streitkräfte Tausende von Flugblättern über dem Berliner Stadtgebiet ab. Darin fordern sie deutsche Soldaten zur Aufgabe oder zum Überlaufen auf und mahnen die Zivilbevölkerung, die Arbeit einzustellen, Schutz zu suchen und Widerstand zu leisten.
Als "Feindpropaganda" bezeichnet, sind der Besitz und vor allem die Weitergabe solcher Flugblätter streng verboten und können mit Gefängnis oder Tod bestraft werden.
Das Flugblatt vom 15. April 1945 stammt aus dem Besitz des ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters Józef Przedpełski. Przedpełski wird im September 1944 mit seiner schwangeren Frau Anna aus Łódź nach Berlin verschleppt. Dort müssen beide im Ausbesserungswerk der Reichsbahn in Schönweide (Adlergestell 153-43) arbeiten: „Diese Flugblätter wurden aus Flugzeugen über Berlin abgeworfen“, berichtet Przedpełski in einem Brief. „Sie sollten den Widerstandsgeist der deutschen Soldaten brechen, und bei der Gelegenheit ermutigten sie die ‚Ostarbeiter‘.“
Kurz vor Kriegende werfen alliierte Flugzeuge auch Flugblätter ab, die sich direkt an Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter*innen richten. Mit Parolen wie „Fremdarbeiter: Disziplin beschleunigt die Heimkehr“ oder „Haltet Ordnung und Disziplin“, soll verhindert werden, dass es zu Chaos, Plünderungen und Gewalt durch befreite Zwangsarbeiter*innen kommt.